
- Wenn Verständigung nicht mehr selbstverständlich ist -
Hundekommunikation ist ein hochkomplexes Zusammenspiel aus Körpersprache, Mimik, Geruch, Blickkontakt und Bewegung. Doch in unserer heutigen Hundewelt ist diese Sprache zunehmend gestört – durch Zucht, mangelnde Sozialisation, Haltungsbedingungen und menschliche Einflüsse. Verständigung unter Hunden funktioniert längst nicht mehr automatisch – und genau das führt zu Konflikten, Frust und Missverständnissen im Alltag.
Rasseeigene Besonderheiten spielen dabei eine große Rolle: Kurznasige Hunde („Plattnasen“) wie Möpse oder Französische Bulldoggen haben durch ihre überzüchtete Anatomie massive Einschränkungen – sie hecheln laut, zeigen wenig Mimik und bewegen sich oft stockend. Für andere Hunde wirken sie dadurch oft bedrohlich oder unlesbar. Spitznasige Hunde wie Windhunde oder Schäferhunde hingegen zeigen oft eine sehr schnelle, präzise Körpersprache, die von unsicheren oder schlecht sozialisierten Hunden als zu direkt oder sogar feindselig missverstanden wird.
Ein besonders spannendes und oft unterschätztes Phänomen zeigt sich bei Tierschutzhunden: Viele von ihnen haben in ihrer Zeit im Tierheim oder im Ausland in gemischten Gruppen mit Hunden aller Größen, Rassen und Temperamente zusammengelebt. Dort lernen sie oft eine sehr differenzierte, stabile Hundesprache – einfach, weil sie täglich auf Körpersignale achten müssen, um Konflikte zu vermeiden. Es sind oft genau diese Hunde, die im direkten sozialen Kontakt mit Artgenossen erstaunlich fein, vorsichtig und höflich agieren.
Doch nach der Vermittlung geraten sie nicht selten in schwierige Situationen: Auf Spaziergängen oder in Hundebegegnungen treffen sie plötzlich auf Hunde, die wenig bis keine hündische Kommunikation gelernt haben – etwa weil sie isoliert aufgewachsen sind, in reizarmer Umgebung gehalten wurden oder der Mensch alle sozialen Kontakte kontrolliert hat. Diese Hunde agieren häufig distanzlos, rüpelhaft oder emotional übersteuert – und genau das bringt die gut kommunizierenden Tierschutzhunde oft aus dem Gleichgewicht. Was im Tierheim funktioniert hat, wird im Alltag zum Problem, weil die Umwelt nicht mitspielt.
Auch Junghunde und Senioren kommunizieren sehr unterschiedlich. Die einen sind noch unreif, körperlich unkontrolliert, missachten Signale – die anderen brauchen Ruhe, Abstand und klare Kommunikation. Ohne menschliche Unterstützung prallen hier zwei Welten aufeinander. Arbeitshunde und Zuchthunde bringen wiederum genetisch bedingte Besonderheiten mit: Der eine ist hochsensibel und reagiert schnell, der andere zeigt stark eingeengte Mimik oder Bewegungsmuster – beides kann zu Fehlinterpretationen führen.
Was wir daraus lernen müssen: Kommunikation unter Hunden ist nicht mehr selbstverständlich, weil wir Menschen tief in die natürliche Entwicklung, Struktur und Sprache eingegriffen haben. Missverständnisse entstehen nicht, weil ein Hund „nicht sozial“ ist – sondern weil er nicht gelernt hat, mit dem Gegenüber sinnvoll zu kommunizieren oder weil das Gegenüber schlicht nicht lesbar ist.
Als Tierpsychologin setze ich genau hier an: Mein Ziel ist es, Hundebegegnungen wieder verständlich zu machen – durch Verhaltensbeobachtung, gezielte Begleitung, Verständnis für individuelle Hintergründe und echte Sozialkontakte. Denn nur wer die Sprache seines Hundes kennt – und weiß, wie sie ankommt – kann ihm helfen, sich souverän und sicher zu verhalten.