
Sprechen alle Hunde „hündisch“?
Eine Frage, die mir in der Praxis immer wieder begegnet, ist: „Können eigentlich alle Hunde hündisch?“ Und die ehrliche Antwort darauf lautet: Im Prinzip ja – aber es ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint.
Hunde kommunizieren in erster Linie körpersprachlich. Sie nutzen Mimik, Körperhaltung, Bewegungsdynamik, Lautäußerungen – all das gehört zur „Hundesprache“. Dieses Kommunikationssystem ist ihnen angeboren und tief verankert. Aber wie bei jeder Sprache gibt es auch hier Unterschiede in Dialekt, Ausdrucksfähigkeit und Verständnis.
Ein gut sozialisierter Hund, der früh lernen durfte, sich mit Artgenossen auszutauschen, entwickelt in der Regel eine feine, klare Kommunikation. Er versteht Signale, kann sie richtig einordnen – und sendet selbst deutliche, lesbare Botschaften. Diese Hunde sind oft in Begegnungen souverän und konfliktarm unterwegs.
Anders sieht es bei Hunden aus, die isoliert aufgewachsen sind, wenige oder schlechte Erfahrungen gemacht haben oder selten echten Hundekontakt hatten. In solchen Fällen sehe ich häufig Unsicherheiten, Missverständnisse oder schlicht kommunikative Lücken. Knurren wurde manchmal durch Strafe „aberzogen“, Spielsignale werden missinterpretiert – oder es fehlt einfach die Erfahrung, Signale richtig einzuordnen.
Auch rassetypische Merkmale spielen eine Rolle: Ein Mops mit flacher Nase, ein Shar Pei mit faltiger Mimik oder ein Husky mit dichter Fellmaske kann von anderen Hunden schwerer „gelesen“ werden – und umgekehrt versteht er selbst gewisse Signale weniger gut. Die Folge: Kommunikationsprobleme, die im Alltag zu Stress oder Unsicherheit führen können.
Was mir im Alltag oft auffällt – und was viele unterschätzen: Hunde legen Wert auf höfliche Kommunikation. Ein freundlicher Annäherungsbogen, langsame Bewegungen, gegenseitiges Schnüffeln auf Augenhöhe – das ist „hündisches Benehmen“. Viele Hunde empfinden es als unangenehm oder sogar übergriffig, wenn ein anderer Hund stürmisch und ungefragt angerempelt kommt. So ein Verhalten ist in Hundesprache eben nicht „fröhlich“, sondern unhöflich – und wird entsprechend kommentiert.
Was ich damit sagen will: Alle Hunde verfügen über die Fähigkeit zur hündischen Kommunikation – aber nicht alle sprechen sie flüssig oder sozialverträglich. Und wie bei uns Menschen: Wer wenig Gelegenheit zur Kommunikation hatte oder sich anders ausdrückt als andere, wird nicht immer gleich verstanden.
In meiner Arbeit geht es deshalb nicht nur darum, Verhalten zu „korrigieren“, sondern vor allem darum, Kommunikation wieder zu ermöglichen – durch gezielte Kontakte, Rücksicht auf Körpersprache und das Verständnis für das, was ein Hund wirklich sagen will.
Denn nur wenn wir die Sprache unserer Hunde verstehen und ihnen erlauben, sich artgerecht auszudrücken, können Begegnungen entspannt, sicher und sozial sinnvoll gestaltet werden.